Was die Beckenbodenmuskulatur leistet und kann ist spektakulär. Wie alle tiefliegenden Muskeln bewegt sie primär nichts und ist daher auch nicht so leicht trainierbar wie die oberflächlichen Muskeln. Warum das Training der Beckenbodenmuskulatur trotz geringem Kalorienverbrauch nicht nur in Rehasport und Rückbildung gehört, sollten Sie hier nachlesen.

Der Beckenbodenmuskulatur geht es fast so, wie all denjenigen Muskeln, die wir nicht sehen und nur sehr schwer ansteuern können. Nur noch schlechter.

Zusätzlich dazu, dass niemand in ein Fitnessstudio kommt und sagt: „Ich hätte gerne so ne richtig tolle Beckenbodenmuskulatur“, hat sie auch einen schlechten Ruf. Die Beckenbodenmuskulatur ist für die meisten Menschen die Muskulatur, die uns hilft, unsere „Geschäfte“ zu verrichten und Kinder zu gebären. So gesehen natürlich richtig fantastische Dinge. Leider gilt aber niemand als toller Hecht, weil er eine gut funktionierende Beckenbodenmuskulatur hat. Ein schön definierter Bizeps hingegen kann schon zu diesem Image verhelfen. Aber den sieht man auch. Der Beckenboden bleibt für uns unsichtbar. Damit zählt er zu den „uncoolen“ Muskeln. Hinzu kommt, dass das Beckenbodentraining wenig Kalorien verbraucht.

Aber jetzt mal ernst: Die Beckenbodenmuskulatur ist selbstverständlich für vieles zuständig. Sie stabilisiert beispielsweise unsere Wirbelsäule erheblich. Aktivieren wir die Beckenbodenmuskulatur, werden auch gleichzeitig die M. multifidii des Rückens sowie der M. transversus abdominis, der tiefliegendste Muskel der Bauchmuskulatur, aktiviert. Das ist für unsere Körperhaltung enorm wichtig.

Wichtige Stütze

Regelmässiges Beckenbodentraining kann Rückenschmerzen vorbeugen und lindern. Der Beckenboden verleiht unserem Rumpf mehr Kraft, weil er eng mit der Wirbelsäule verbunden ist. Fehlhaltungen wie ein Hohlkreuz kommen häufig durch eine zu schwache Beckenbodenmuskulatur zustande.

Der Beckenboden besteht aus drei Muskelschichten. Die unterste Schicht ist als Schließmuskulatur, die uns bekannteste. Die mittlere Schicht verbindet die Sitzbeinhöcker und hält das Becken zusammen. Diese Muskelschicht ist bei Frauen nur halb so stark ausgebildet wie bei Männern. Es ist die Schicht, die während der Schwangerschaft das Gewicht des Babys trägt und sich zur Geburt schließlich aufdehnt. Die innerste Schicht liegt wie eine Schale im Beckenring, stützt die Unterleibsorgane und steht mit der Rumpfmuskulatur in Verbindung.

Fachwissen fehlt

Trainerin Elisa Dambeck kennt die Problematik der tiefliegenden Muskulatur, die häufig stiefmütterlich behandelt wird. Und ihr ist etwas aufgefallen: Egal ob im Sportstudium oder in ihren Ausbildungen zu den verschiedensten Trainerlizenzen – das Training des Beckenbodens spielte kaum eine Rolle. „Erst als ich mich intensiv mit Pilates beschäftigt habe, bekam die Beckenbodenmuskulatur eine zentrale Rolle – wenn nicht sogar die zentrale Rolle“, sagt Dambeck. Generell sind die Tiefenmuskeln und ihr Training in den Bereichen Pilates, Yoga, Reha-Sport und Rückentraining wichtig. In Sport-Anatomie-Büchern hingegen wird diese Muskulatur kaum beachtet. „Kein Wunder also, dass das Fachwissen bisher noch nicht so verbreitet ist, wie es eigentlich sein sollte, und sich auf einige wenige Kreise beschränkt“, so die Expertin.

Sie schmunzelt, wenn sie sagt: „Den Sportlern ist die wortwörtlich zunehmende Tragweite dieser Muskeln oft nicht bewusst.“ Unsere Rumpfmuskulatur lässt sich in tief und oberflächlich gelegene Muskeln unterscheiden, also in Stabilisatoren und Mobilisatoren, die wie ihre Namen bereits verraten auch unterschiedliche Funktionen erfüllen. Generell gilt, dass je dichter ein Muskel am Körperzentrum beziehungsweise an der Wirbelsäule liegt, desto mehr hat er stabilisierende und stützende Aufgaben. Und je oberflächlicher ein Muskel liegt, desto wichtiger ist er für Bewegungen. Tiefenmuskeln sind also für die Stabilisation des Körperzentrums verantwortlich. „Früher war man sogar der Überzeugung, dass die Tiefenmuskeln nicht bewusst angesteuert werden können. Das weiß man heute zum Glück besser. Dennoch können die Stabilisatoren nicht so einfach trainiert werden wie die oberflächlich gelegenen Muskeln, die Bewegungen ausführen wie beim Bizeps-Curl oder Seitheben. Tiefenmuskeln bewegen nämlich primär nichts und somit sind auch beim Training keine Bewegungen ersichtlich. Man muss also wissen, um welche Muskeln es sich handelt, wo sie liegen und ihre Ansteuerung bewusst trainieren“, sagt Dambeck.

Ab auf das Wackelbord

Als Personal Trainerin hat sie die Aufgabe, die Trainingswünsche ihrer Kunden zu erfüllen. Und da, wie oben schon beschrieben, kaum einer den Wusch äußert, die Beckenbodenmuskulatur zu stärken, behilft sich Dambeck zuweilen mit Tricks. Sie kennt Übungen, die diese Muskulatur stärken, ohne gleich als Beckenbodentraining betitelt zu werden. „Ich arbeite gerne mit Wackelpads. Dabei wird die Beckenbodenmuskulatur automatisch mittrainiert.“ Wer etwas für seine Beckenbodenmuskulatur tun möchte, und damit auch gleichzeitig für seine Körperhaltung und die Stabilität des gesamten Rumpfes, kann diese vier Übungstipps von Elisa Dambeck gerne einmal ausprobieren.

Abbildung: Alliance Images / shutterstock.com