Neugierige und flexible Yogis lieben diesen „jungen“ Stil, der traditionelle Stellungen mit modernen Elementen und „therapeutischem Fliegen“ verbindet. Was bedeutet das konkret und was sind die besten Übungen für Anfänger? Ein Exkurs in diesen faszinierenden Bereich des Trend-Yogastils, der nicht nur Promis derzeit schwer begeistert.​

Entstehung des Akrobatischen Yoga

Vergleichbar mit den Zweigen eines Baums haben sich über die Jahre viele verschiedene Stile des „Flying Yoga“ gebildet und es existieren unzählige Formen weltweit. Sie unterscheiden sich meist ein wenig voneinander, entspringen jedoch alle einem gemeinsamen Stamm. Diese Basis bildet die Kombination aus traditionellen Yoga Asanas (Körperstellungen) und Akrobatik. Durch die Verschmelzung der beiden Disziplinen entstand Akrobatisches Yoga. Die frühesten Dokumentationen gehen zurück ins Jahr 1938. Videos zeigen den indischen Yoga-Lehrer T. Krishnamacharya, wie er Akrobatisches Yoga mit einer seiner Schülerinnen praktiziert. Im Laufe der Jahre sind andere Elemente wie Tanz und Thai-Massage eingeflossen. Moderne Begründer des heute bekannten AcroYoga sind Jenny Sauer-Klein und Jason Nemer aus San Franciso, die beide sowohl einen Background als Akrobatikartisten als auch einen langjährigen Yoga-Hintergrund haben.

Sie gründeten AcroYoga International (AYI) in 2003 und waren die Ersten, die ein Regelwerk entwickelt haben, an dem sich heute sämtliche Zertifizierungen orientieren. Der Begriff AcroYoga ist als eingetragene Marke rechtlich geschützt. Inhaltlich ähnliche Angebote werden daher auch mit „Akrobatisches Yoga“, „Yoga & Akrobatik“ oder „Flying Yoga“ bezeichnet.

Was ist Akrobatisches Yoga?

Im Mittelpunkt dieses Yoga-Stils steht das Element des Fliegens. Das Wort „Acro“ kommt aus dem Griechischen und lässt sich übersetzen mit „hoch“ oder „erhaben“. Die gemeinsame Ausführung mit einem Partner zeichnet diesen speziellen Stil aus und unterscheidet ihn von anderen Yogaformen. Diese Verbindung zwischen den Partnern ist die Grundvoraussetzung und wird durch die gemeinsame Praxis intensiviert. In der Essenz ist Akrobatisches Yoga eine Form der Kommunikation zwischen zwei Individuen, welche durch den Körper vermittelt wird. Vertrauen, aktive Teilnahme, gegenseitige Unterstützung und eine enge Verbindung, die durch die Bewegungen des Körpers ausgedrückt werden, bilden die Grundlage dieser Kommunikation. Man schwebt über dem Partner, aber doch gemeinsam. Und das ist das, was diesen Stil so besonders und einzigartig macht. Viele, die es einmal ausprobiert haben, möchten diese innige Form der Verbundenheit nicht mehr missen.

Die drei Rollen

Grundsätzlich gibt es drei Positionen:
1. Die Base (die Basis): die stützende Person am Boden.
2. Den Flyer (den Flieger): die Person, die in der Luft gestützt wird.
3. Den Spotter (den Beobachter): die Person, die Hilfestellung geben kann.

Die Position des Spotters ist nicht unbedingt erforderlich, kann aber – besonders bei Anfängern – sehr hilfreich sein, um Fehlstellungen und eventuelle Verletzungen zu vermeiden. Ist man dann versierter, kann man sich voll und ganz der Zweisamkeit widmen. Denn es geht beim Akrobatischen Yoga letztendlich um ein Geben und Nehmen und darum, sich ganz auf den anderen einzulassen. Die Rollen von Base und Flyer werden während der Trainingseinheiten getauscht. Bei einem Team aus Mann und Frau ist der Mann einfach oft stärker und bildet daher die Basis. Aber auch zwei Frauen können miteinander üben und sich abwechseln, denn man braucht als Base nur genug Kraft, um dem Flyer Stabilität geben zu können. Mit der richtigen Technik ist das kein Problem.

Die drei Elemente

Im Akrobatischen Yoga spielen drei Elemente die wesentliche Rolle und stehen gleichberechtigt nebeneinander:
1. Solar-Akrobatik: der akrobatische, aktive und dynamische Teil, hier stehen Kraft, (Selbst-)Vertrauen und Spaß im Zentrum.
2. Lunar-Akrobatik: der therapeutische Aspekt, hier lernt der Flyer, sich zu entspannen und einfach mal loszulassen.
3. Yoga: Atemtechniken und Achtsamkeit, durch die beide Partner zu einer Einheit werden und sich als solche wahrnehmen können.

Das Gefühl, von jemandem sicher getragen zu werden, oder jemanden tragen zu können, stärkt die Bindung, das Vertrauen der beiden Partner und auch das Selbstvertrauen. Auch wenn es am Anfang vielleicht einige Überwindung kostet, ist es wichtig, sich voll und ganz darauf einzulassen. Nur so kann man erfahren, zu was man fähig ist, wenn man sich nur traut. Ein hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit muss gegeben sein.

Wer kann Akrobatisches Yoga praktizieren?

Grundsätzlich eignet sich diese Form von Yoga für alle Menschen mit einem normal beweglichen Körper. Das Alter oder die Vorerfahrung spielen hierbei keine Rolle. Es ist eher eine Frage der eigenen Ansprüche und Erwartungen – wie auch beim regulären Yoga. Für manche ist es ein herausforderndes Training. Andere fühlen sich vor allem durch die Faszination des „Fliegens“ angezogen. Fast schwerelos den Alltagsproblemen zu entfliehen und sich tief zu entspannen. Wiederum andere schätzen die Zweisamkeit und das gemeinsame Erleben der Verbundenheit während der Trainingseinheiten. Und für einige ist es ein Lebensstil und spiritueller Weg.

Therapeutische Effekte

Durch die therapeutische Form des Fliegens kann sich der Flyer vollkommen entspannen und loslassen. Dabei wird Stress ganz automatisch abgebaut. Da er von seinem Partner, der Base, auf Händen und Füßen getragen wird, gibt er alle Kontrolle ab und lässt sich passiv bewegen. Macht man es richtig, kann der Flyer seine Muskeln vollständig locker lassen. Eventuelle Blockaden der Wirbelsäule können so schmerz- und invasionsfrei gelöst werden. Eingefleischte Fans des AcroYoga sprechen davon, dass diese Form des Yoga einen positiven Effekt auf ihren Energiefluss hat und sie Emotionen besser verarbeiten können. Durch die Dehnung, Streckung und Massage kann der Flyer entspannen, loslassen und vertrauen. Der Körper wird von Spannungen befreit und man fühlt ihn bewusster.

Anfängerübungen für zwei

Zuerst einmal ist es wichtig, sich offen und locker an diese Form des Yoga anzunähern. Berührungsängste sind hier fehl am Platz, denn eine intensive Bindung zum Partner ist ausdrücklich erwünscht und zum positiven Gelingen der Übungen notwendig. Also einfach in bequeme Kleidung schlüpfen – eine gute Bewegungsfreiheit sollte vorhanden sein – und loslegen.

Thron
Die Füße des Flyers stehen links und rechts vom Kopf der Base. Die Beine der Base kommen angewinkelt nach vorne Richtung Kopf, sodass der Flyer sich auf die Füße setzen kann. Jetzt streckt die Base langsam die Beine und stützt mit den Händen die Füße des Flyers. Für Fortgeschrittene: Die Base kann langsam die Beine anwinkeln und die Füße unter den Schultern des Flyers positionieren. Der Flyer kann dann in eine liegende Position gehen. Hier ist vor allem Körperspannung sehr wichtig!

Front bird/Free bird
​Der Flyer steht zuerst aufrecht und lehnt sich mit der Hüfte auf die Fußsohlen der Base. Nun streckt die Base die Beine mit Schwung und hebt den Flyer in die Luft. Die Hände der beiden stützen sich gegenseitig. Für Fortgeschrittene: Im Free bird werden die Arme nach hinten gestreckt wie ein Skispringer. Schwung und Balance sind hier besonders wichtig.

Folded leaf
Der Flyer platziert beide Hände neben der Hüfte der Base und stützt sich nach oben wie zum Handstand. Die Base streckt die Beine aus, sodass der Flyer die Oberschenkel darauf ablegen kann. Mit den Händen stützt die Base den Rücken des Flyers.

Gerade am Anfang ist es wichtig, sich nicht zu überschätzen und seine Kräfte zu überbeanspruchen. Zum Einstieg ist es empfehlenswert, die Asanas 2-3 Atemzüge lang zu halten. Die Hauptsache ist, dass beide genug Kraft besitzen, sich austauschen und aufeinander einstellen.

Akrobatisches Yoga Solo

Akrobatisches Yoga kann immer nur zu zweit praktiziert werden, aber es gibt durchaus vorbereitende Übungen, die man auch alleine ausüben kann. Liegestütze, Handstand-Variationen oder reguläre Yoga-Asanas eignen sich perfekt als Vorbereitung auf die nächste Einheit zu zweit.

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